Erfolgsblockaden - ein Beispiel

30.04.25 07:52 PM - Von Leif Tietje

Wenn Gewissenhaftigkeit blockiert – Warum David nicht vorankommt

„Er will alles richtig machen – und kommt deshalb nicht voran.“

David sitzt am Schreibtisch. Der Blick geht nach draußen, die Stirn leicht gerunzelt. Er denkt nach. Nicht weil er nichts weiß – im Gegenteil: David ist extrem gewissenhaft.

Er ist strukturiert. Analytisch. Vorausdenkend.

Ein Mensch, der nichts dem Zufall überlässt.

Vielleicht erkennst du dich wieder?

Genau das bringt ihn in die Starre.

Denn während andere längst loslaufen, durchdenkt David jede Option, jede mögliche Konsequenz.

Er sucht nach dem perfekten Zeitpunkt – und findet ihn nicht.

Nicht, weil er zögert, sondern weil er es einfach richtig machen will.

Deep Ocean: Was hinter der Gewissenhaftigkeit steckt

Im Persönlichkeitsmodell Deep Ocean steht „Gewissenhaftigkeit“ als eines der Big Five Merkmale. Es unterteilt sich in zwei Faktoren:

  • Fleiß: Zielstrebigkeit, Leistungsbereitschaft, Disziplin
  • Ordnung: Struktur, Planungsfreude, Genauigkeit

Diese Eigenschaften gelten als echte Stärken – und das sind sie auch.

Menschen mit hoher Gewissenhaftigkeit gelten als verlässlich, sorgfältig, ausdauernd.

Doch wie bei jeder Stärke gilt:

Wird sie übersteuert, kann sie dich blockieren.

Der typische Mechanismus: In der Planung gefangen

„Man denkt, strukturiert, optimiert – und kommt dabei nicht ins Tun.“

Das klingt zunächst widersprüchlich. Denn wer so gründlich plant, müsste doch gut vorankommen, oder?

Doch das Gegenteil passiert oft:

  • Die Suche nach der optimalen Lösung frisst Energie.
  • Entscheidungen werden hinausgezögert.
  • Der kleinste Fehler erscheint wie ein Scheitern.

Im Ergebnis entsteht Entscheidungsstarre.

David will loslegen, aber in ihm ist dieser Anteil, der flüstert:

„Noch nicht. Erst wenn alles durchdacht ist. Wenn du sicher bist.“

Exkurs – Warum „Fehlerfreiheit“ dich bremst

Viele gewissenhafte Menschen glauben tief im Inneren:

„Wenn ich nur sorgfältig genug bin, passieren keine Fehler.“

Dieser Gedanke ist nachvollziehbar – aber auch ein Trugschluss.

Denn in komplexen Systemen wie Leben, Beruf oder Selbstständigkeit gibt es keine Garantie auf Fehlerfreiheit.

Sie ist schlicht unrealistisch – und oft sogar hinderlich.

Wer ausschließlich auf Sicherheit setzt, geht kaum noch Risiken ein.

Und ohne Risiko gibt es keine echte Weiterentwicklung.

Typische Coaching-Situation – inspiriert von realen Mustern

David steht exemplarisch für viele Menschen, denen wir im Coaching begegnen:

Sie sind reflektiert, gut organisiert, ambitioniert – und trotzdem blockiert.

Sie haben Ideen, sie wollen vorankommen – aber sie starten nicht.

Warum?

Weil sie glauben, sie müssten vorher alles klären, um hinterher sicher zu sein.

Sie warten auf einen perfekten Moment, der nie kommt.

Die Veränderung beginnt oft mit einem inneren Satz wie:

„Ich darf anfangen – auch wenn noch nicht alles klar ist.“

„Ich kann vertrauen, dass sich unterwegs Dinge klären.“

Ein kleiner Perspektivwechsel mit großer Wirkung.

Tippbox – Selbstreflexion für Gewissenhafte

💡 1. Beobachte dich selbst:

Wann schiebst du Entscheidungen auf, obwohl du genug weißt?

💡 2. Frage dich ehrlich:

Wovor willst du dich gerade schützen?

💡 3. Erkenne den Anspruch:

Ist „richtig machen“ immer nötig – oder manchmal auch hinderlich?

💡 4. Erlaube dir 80 %:

Starte bewusst kleine Dinge, auch wenn sie noch nicht perfekt sind.

💡 5. Sprich es laut aus:

„Ich darf losgehen, bevor ich alles weiß.“

Du brauchst keinen neuen Plan – sondern eine neue Erlaubnis

Viele Menschen denken, sie müssten sich nur besser organisieren, noch ein System finden, noch einen Plan machen.

Was sie oft wirklich brauchen, ist die innere Erlaubnis, unperfekt zu handeln.

Sich auch mal unsicher zu fühlen – und trotzdem loszugehen.

Mut ist nicht das Gegenteil von Gewissenhaftigkeit.

Mut ist die Ergänzung, die dich ins Handeln bringt.

Coaching für strukturierte Selbststarter:innen

📌 Wenn du spürst, dass dein eigener Anspruch dich eher blockiert als beflügelt:


Im Coaching schauen wir gemeinsam hin:

  • Was braucht dein System, um sich sicher für den nächsten Schritt zu fühlen?
  • Wie kannst du beginnen, bevor du alle Antworten hast?


Fazit – Verstehen verändert

Gewissenhaftigkeit ist keine Schwäche.

Aber sie kann zur inneren Bremse werden, wenn sie nicht bewusst gesteuert wird.

David steht symbolisch für viele, die sich nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung zurückhalten.

Die niemanden enttäuschen wollen.

Die glauben, Fehler seien ein Zeichen von Schwäche.

Doch genau darin liegt das Potenzial zur Veränderung:

Wenn du dich selbst besser verstehst, kannst du dich auch selbst neu steuern.

Verstehen verändert.

Leif Tietje