Zwischen Pflichtgefühl und Rücksicht – wenn du im Funktionsmodus feststeckst
Funktionieren oder führen – was ist der Unterschied?
So geht es Julia. Sie ist Projektleiterin – zuverlässig, empathisch, teamorientiert. Auf dem Papier: vorbildlich. Im Alltag: zerrissen.
Julia funktioniert – aber sie lebt nicht.
Drei Stimmen, ein Dilemma – die unsichtbare Steuerung in dir
Julia spürt es jeden Tag: In ihr arbeiten drei Stimmen gleichzeitig. Keine davon ist „falsch“ – aber auch keine ist wirklich ihre eigene.
🟦 Ordnung: „Mach es richtig – und bitte ohne Fehler.“
🟦 Politeness: „Stell dich nicht zu sehr in den Vordergrund.“
🟦 Empathie: „Achte darauf, wie es den anderen geht.“
Diese inneren Anteile sind typisch für Menschen, die im Funktionsmodus leben. Sie helfen, im System zu bestehen – aber sie hindern daran, sich wirklich zu entscheiden.
Fallbeispiel: Wenn Verantwortung zur Selbstverleugnung wird
Julia steht vor einer Entscheidung: Sie könnte ein Projekt radikal vereinfachen – zum Wohle des Unternehmens. Aber:
- Was wird der Vorstand denken?
- Wird sich das Team übergangen fühlen?
- Könnte jemand verletzt sein?
Sie analysiert. Sie wägt ab. Sie nimmt Rücksicht – bis sie selbst nicht mehr sichtbar ist. Ihre eigentliche Haltung kommt nicht zur Sprache. Denn in ihrem Kopf schreien Ordnung, Politeness und Empathie durcheinander. Nur eine bleibt still: ihre eigene Stimme.
Im Coaching erkennt sie: Nicht sie ist das Problem – sondern die überaktive Steuerung durch diese inneren Stimmen.
Exkurs – Warum Selbstoptimierung oft das Gegenteil bewirkt
Viele meinen, das Problem sei mangelnde Effizienz oder schlechte Selbstorganisation. Also wird optimiert: To-Do-Listen, Time-Blocking, mehr Disziplin.
Doch hier liegt der Irrtum: Du kannst dich nicht aus einem inneren Konflikt herausorganisieren. Denn dein System „funktioniert“ längst – es blockiert nur deine Freiheit.
Was du brauchst, ist keine neue Methode. Sondern ein neues Verständnis deiner inneren Dynamik.
Wie du erkennst, ob du nur funktionierst
Typische Anzeichen für den Funktionsmodus:
- Du triffst selten Entscheidungen ohne Rücksicht auf andere.
- Du hast Angst, Erwartungen nicht zu erfüllen.
- Du fühlst dich innerlich erschöpft – obwohl du nichts „Schlimmes“ erlebt hast.
- Deine Meinung kommt dir oft zweitrangig vor.
- Du hast selten das Gefühl, wirklich bei dir zu sein.
Der Weg raus: Deine Stimme zählt
Veränderung beginnt nicht mit Selbstoptimierung – sondern mit Verständnis. Wenn du erkennst, dass du nicht „falsch“ bist, sondern nur zu stark auf bestimmte Persönlichkeitsanteile hörst, entsteht neue Klarheit.
Und du wirst merken: Empathie, Ordnung und Rücksicht sind wertvoll – solange sie dich nicht dominieren.
Fazit – Du darfst du sein
Julia ist kein Einzelfall. Sie steht für viele, die Leistung bringen, Verantwortung tragen und trotzdem das Gefühl haben, sich selbst zu verlieren.
Doch: Verstehen verändert. Es entlastet. Es schafft Raum. Und es bringt dich wieder in Verbindung mit deiner eigenen Stimme.
Denn du darfst nicht nur funktionieren. Du darfst führen – dich selbst zuerst.